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04.2023

Provisionsverbot und Kleinanlegerstrategie – warum die Koexistenz von Provision und Honorar bei Altersvorsorgeprodukten notwendig ist


Hintergrund der aktuellen Diskussion und Fehlinterpretation der sogenannten Kantar-Studie

Im Zuge der Einführung der sogenannten „EU-Kleinanlegerstrategie“ wird derzeit auf EU-Ebene die Frage kontrovers diskutiert, ob provisionsbasierte Beratung bei Finanz­produkten stärker reguliert oder gar verboten werden sollte. Begründet wird die Forderung eines Verbots dabei mit Ergebnissen der sogenannten Kantar-Studie. Dies ist in doppelter Hinsicht problematisch:

  • Die in der öffentlichen Diskussion angeführten Kostenargumente können gar nicht aus der Kantar-Studie abgeleitet werden. Tatsächlich hat die Kantar-Studie weder irgendeine Aussage in Bezug auf Provisionen bei Versicherungs- und Alters­vorsorgeprodukten getroffen noch überhaupt Analysen hierzu durchgeführt. Der Kostenvergleich in der Studie umfasst vielmehr nur Fonds und schließt Versicherungs­produkte explizit aus. Es wird auch kein Vergleich vorgenommen, ob die Kosten bei einer provisionsbasierten Vergütung der Beratung höher oder niedriger sind als bei anderen Formen der Beratung.
  • Argumente jenseits einer reinen Kostenbetrachtung, die gegen ein Provisionsverbot sprechen, werden komplett ausgeblendet. Das Provisions­system bewirkt wünschenswerte gesamtwirtschaftliche Umverteilungseffekte, da größere Verträge stärker belastet werden als kleinvolumige Verträge. Ferner kann in Ländern mit Provisionsverbot beobachtet werden, dass diejenigen Verbraucher, die Beratung am dringendsten benötigen, nicht bereit bzw. in der Lage sind, alternative Beratungsvergütungen wie Honorare zu bezahlen.

Quantitative Argumente für eine Koexistenz von Provision und Honorar

Um eine Indikation abzuleiten, für welche Typen von Verbrauchern welche Form der Beratungsvergütung kostengünstiger ist, haben wir anhand typischer Beispiele verschiedener Vergütungsmodelle quantitative Analysen durchgeführt und dabei jeweils die Beitragshöhe ermittelt, unterhalb der eine provisionsbasierte Beratung günstiger ist als eine Honorarberatung. Hier hat sich deutlich ergeben, dass für Verbraucher, die regelmäßig eher kleine Summen sparen (die also im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie besondere Beachtung erhalten müssten) provisionsbasierte Modelle meist kostengünstiger sind als Honorarmodelle. Beispielsweise zeigt sich in einem Praxisbeispiel, dass der Verbraucher bei monatlichen Sparraten von unter 100 € mit der Provision stets günstiger abschneidet. Bei in der Altersvorsorge durchaus typischen Vertragslaufzeiten von 20 bzw. 30 Jahren war das Provisionsmodell sogar bis zu einem monatlichen Beitrag von 186 bzw. 129 Euro günstiger.

Im Übrigen hat sich im Rahmen unserer Analysen gezeigt, dass nicht nur im Provisionsmodell, sondern auch in der Honorarberatung Gebührentransparenz oft schwierig herzustellen ist und dass bei Honorarmodellen die Bandbreite von eher günstigen bis zu teilweise sehr hochpreisigen Modellen sehr groß sein kann.

Selbst wenn man also ausschließlich mit Kosten der Beratung argumentiert und alle anderen Argumente außer Acht lässt, unterstreichen unsere quantitativen Ergebnisse eindrucksvoll, dass eine Koexistenz von Provisions- und Honorarmodellen erstrebenswert ist.

Download unserer Studie und weiterer Informationen

Unsere gesamte Studie, die wir im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater e.V. (BDV) erstellen konnten, steht hier zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Für weitere Aspekte jenseits einer rein kostenbasierten Betrachtung verweisen wir auf unsere immer noch aktuelle Studie „Regulierung von Provisionen: Ziele, Risiken und Nebenwirkungen provisionsbegrenzender Regulierung in der Lebensversicherung in Deutschland“ aus dem Jahr 2018, die hier zum Download zur Verfügung steht.


Weitere Informationen:

Prof. Dr. Jochen Ruß

Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften
Max-Born-Str. 12
89081 Ulm

Wichtige Informationen:

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