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01.2024

Möglichkeiten im Produktdesign bei steigendem Rechnungszins


Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat empfohlen, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung im Jahr 2025 von aktuell 0,25% auf 1,0% anzuheben. Sofern das Bundesministerium der Finanzen dieser Empfehlung folgt, stellen sich zahlreiche Fragen rund um das Design von Lebensversicherungsprodukten.

Wesentliche Änderung

Bei allen Produktanpassungen, die im Zuge der Anhebung des Höchstrechnungszinses vorgenommen werden, ist zu prüfen, ob es sich um eine „wesentliche Änderung“ gemäß § 23 Abs. 1a VAG handelt. Sofern dies der Fall ist, ist das Produktfreigabeverfahren komplett neu zu durchlaufen. Dies schließt nach dem BaFin-Merkblatt 01/2023 (VA) zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten insbesondere die Festlegung des Zielmarkts und den Nachweis ein, dass die von Angehörigen des Zielmarkts erwartete Zielrendite mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht werden kann. Letzteres könnte insbesondere bei Hybridprodukten einfacher als bisher nachzuweisen sein. Denn der höhere Höchstrechnungszins führt zu einer höheren (erwarteten) Fondsquote.

Gestaltungsmöglichkeiten im Produktdesign – Höhe der Garantie

Grundsätzlich sind nach einer Erhöhung des Höchstrechnungszinses wieder höhere Garantieniveaus bei Altersvorsorgeverträgen möglich. Allerdings ist nicht alles, was möglich ist, auch sinnvoll. Hier sind zahlreiche Abwägungen zu treffen:Soll wieder eine 100% Beitragsgarantie angeboten werden und wenn ja, in welchen Zielmärkten? Denn insbesondere bei kürzeren Laufzeiten wäre eine 100% Beitragsgarantie in der Nähe der „maximal möglichen Garantie“, was eine besonders starke „Renditebremse“ darstellen und das inflationsbereinigte Risiko im Vergleich zu moderat abgesenkten Garantien sogar erhöhen kann. Hierauf sind wir in unserer Studie „Auswirkungen von Garantien auf inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse“ ausführlich eingegangen.
Andererseits kann das Angebot eines Riesterprodukts mit 100% Beitragsgarantie wieder mehr Verbrauchern die Möglichkeit eröffnen, in den Genuss einer attraktiven Förderung zu kommen. Hier gilt es aus Anbietersicht abzuwägen, ob es sinnvoll ist, vor der angekündigten Reform der Riesterrente nochmals ein Produkt unter dem „alten“ Riesterregime an den Markt zu bringen.
Besonders relevant könnte die Höhe der Garantie bei Leibrenten sein, denn die Akzeptanz der lebenslangen Rente leidet insbesondere darunter, dass Verbraucher sehr stark auf die (als niedrig wahrgenommene) garantierte Rente schauen. Nutzt man neben der Rechnungszinserhöhung noch weitere innovative Ideen, kann die garantierte Rente um rund 15% erhöht werden.

Gestaltungsmöglichkeiten im Produktdesign – Art der Garantie

Garantien aus der Vergangenheit stellen nach wie vor eine Belastung für die Versicherer dar. Diese Garantien waren nicht nur hoch (Garantiezinsen bis zu 4%) und lang (Laufzeiten über viele Jahrzehnte), sondern auch „hochfrequent“ (der Garantiezins gilt immer von einem Jahr auf das nächste). Letzteres kann durch intelligentes Produktdesign, das als „solvenzoptimierte Klassik“ bekannt ist, vermieden werden: Dies gelingt, indem beispielsweise eine Garantie in Höhe des Höchstrechnungszinses nur endfällig ausgesprochen wird, wogegen von einem Jahr auf das nächste „nur“ ein geringerer Garantiezins (z.B. 0%) gilt. Während bei hochfrequenten Garantien der Versicherer für eine hohe Überschussbeteiligung „bestraft“ wird (er muss dann in den Folgejahren den vereinbarten Garantiezins auf einen größeren Betrag sicherstellen), wird er bei solvenzoptimierten Produkten für eine hohe Überschussbeteiligung „belohnt“ (die Garantiezinsanforderung für die Restlaufzeit wird faktisch reduziert). Die Risikoreduktion aus dem solvenzoptimierten Produktdesign ist umso größer, je höher der Höchstrechnungszins ist. Daher werden derartige Produktdesigns nach der Erhöhung des Höchstrechnungszinses wieder interessanter. Anbieter sollten unseres Erachtens analoge Ideen auch für den klassischen Teil von Hybridprodukten und insbesondere auch für die Rentenbezugsphase in Erwägung ziehen.

Ihr Ansprechpartner im ifa
Das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften beschäftigt sich seit rund 30 Jahren mit zahlreichen Aspekten innovativer Altersvorsorgeprodukte. Auch zur Diskussion der oben genannten Themen stehen wir gerne zur Verfügung.


Weitere Informationen:

Prof. Dr. Alexander Kling

Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften
Lise-Meitner-Str. 14
89081 Ulm

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